Der Froschkönig

Es war einmal eine Prinzessin, die ging in den Wald und setzte sich an einen kühlen Brunnen. Sie hatte eine goldene Kugel, ihr absolutes Lieblingsspielzeug, die sie immer hochwarf und wieder fing. Das machte ihr riesigen Spaß. Doch einmal war die Kugel zu hoch geflogen – sie streckte schon die Hand aus, die Finger gekrümmt, um sie zu fangen, doch diesmal verfehlte sie die Kugel und sie plumpste auf den Boden, rollte und rollte – und platsch! – direkt ins Wasser.

Die Prinzessin starrte entsetzt hinterher, aber der Brunnen war so tief, dass man den Grund nicht sehen konnte. Da fing sie an, hemmungslos zu heulen: „Ach, wenn ich meine Kugel wieder hätte, würde ich alles dafür geben – meine Kleider, meine Juwelen, meine Perlen, einfach alles!“

Während sie noch so jammerte, steckte plötzlich ein Frosch seinen Kopf aus dem Wasser und fragte: „Hey, Prinzessin, was ist denn los? Warum heulst du so?“

„Ach, du ekliger Frosch“, schniefte sie, „was willst du denn? Meine goldene Kugel ist in den Brunnen gefallen, und du kannst mir doch nicht helfen!“

Der Frosch grinste. „Deine Kleider, deine Juwelen, deine Perlen – die brauch ich nicht. Aber wenn du versprichst, mein Freund zu sein, wenn ich neben dir sitzen, von deinem goldenen Teller essen und in deinem Bett schlafen darf – und wenn du mich magst – dann hol ich dir deine Kugel zurück.“

Die Prinzessin dachte: Der spinnt doch! Der lebt im Wasser, der kommt hier eh nie raus. Aber wenn er die Kugel holt, warum nicht? Ich sag einfach ja und dann ist die Sache erledigt. Also nickte sie: „Ja, klar, kein Problem. Bring mir erstmal die Kugel, dann kriegst du alles, was du willst.“

Der Frosch tauchte ab, und keine Minute später kam er wieder hoch, die Kugel im Maul, und spuckte sie auf den Boden. Als die Prinzessin ihr Spielzeug sah, schnappte sie es sich sofort, strahlte vor Glück – und düste einfach ab, ohne sich noch einmal umzudrehen.

„Hey, warte!“, rief der Frosch hinterher. „Nimm mich mit, du hast es versprochen!“ Aber sie hörte nicht mehr zu.

Am nächsten Tag saß die Prinzessin mit ihrem Vater beim Essen, als plötzlich ein plitsch, platsch, plitsch, platsch die Treppe hochkam. Dann klopfte es an der Tür, und eine Stimme rief: „Prinzessin, mach auf!“

Sie ging zur Tür – und da stand der Frosch. Völlig schockiert knallte sie die Tür wieder zu und setzte sich mit klopfendem Herzen zurück an den Tisch.

„Was ist los?“, fragte der König.

„Da draußen ist so ein widerlicher Frosch!“, keuchte sie. „Der hat mir gestern meine Kugel aus dem Brunnen geholt, und ich hab ihm versprochen, er könnte mein Freund sein – aber ich dachte doch nicht, dass er wirklich hier auftaucht! Jetzt steht er vor der Tür und will rein!“

In dem Moment klopfte es wieder, und der Frosch sang:

„Prinzessin, hör mal zu, was hast du gestern versprochen, als ich dir half am kühlen Wasser? Prinzessin, mach mir auf!“

Der König sah seine Tochter streng an. „Wenn du was versprochen hast, musst du dich auch daran halten. Mach die Tür auf!“

Mit einem Seufzer gehorchte sie. Der Frosch hüpfte herein, folgte ihr bis zu ihrem Stuhl und sagte: „Hey, heb mich hoch, ich will neben dir sitzen.“

Die Prinzessin wollte nicht, aber ihr Vater bestand darauf. Also setzte sie den Frosch auf den Stuhl.

Dann sagte er: „Okay, jetzt schieb deinen goldenen Teller rüber – ich will mit dir essen.“ Sie musste es tun.

Als er fertig war, gähnte er. „Puh, ich bin müde. Bring mich hoch in dein Zimmer und mach dein Bett fertig – wir legen uns jetzt hin.“

Die Prinzessin zuckte zusammen. Dieser glitschige Frosch in meinem Bett? Niemals! Sie fing an zu weinen, aber der König wurde sauer. „Du hast es versprochen. Also tu es.“

Keine Chance. Wütend packte sie den Frosch mit zwei Fingern, trug ihn nach oben – und statt ihn ins Bett zu legen, schmiss sie ihn mit einem Wumms gegen die Wand. „So! Jetzt lass mich endlich in Ruhe, du ekliges Ding!“

Doch als der Frosch auf das Bett fiel, geschah etwas Unglaubliches: Statt des kleinen, grünen Tieres lag plötzlich ein junger Prinz vor ihr, mit freundlichen Augen und einem Lächeln, das ihr Herz erwärmte. Die Prinzessin war sprachlos. Scham und Erleichterung durchfluteten sie – und dann, ganz langsam, ein Gefühl, das sie nicht erwartet hatte: Zuneigung. Sie reichte ihm die Hand, und er nahm sie sanft in seine.

Am nächsten Morgen hielt eine prächtige Kutsche vor dem Schloss, gezogen von acht schneeweißen Pferden. An ihrer Seite stand Heinrich, der treue Diener des Prinzen. Er hatte so sehr unter der Verwandlung seines Herrn gelitten, dass er drei eiserne Bänder um sein Herz gelegt hatte, um den Schmerz zu ertragen.

Als der Prinz mit der Prinzessin in die Kutsche stieg und sie losfuhren, erklang plötzlich ein lautes Krachen! Der Prinz drehte sich besorgt um: „Heinrich, ist etwas kaputt?“

Doch Heinrich schüttelte den Kopf, und seine Augen glänzten. „Nein, mein Prinz. Es ist nur das Eisen an meinem Herzen, das endlich zerspringt. Denn nun, da du erlöst bist, kann auch ich wieder atmen.“

Noch zweimal erklang dieses Krachen – und mit jedem Mal fiel eine Last von Heinrichs Seele. Denn sein Herr war frei, und damit auch er.


Im Projekt „Grimm today“ werden die Urtexte der Gebrüder Grimm mittels künstlicher und natürlicher Intelligenz in eine moderne, kindgerechte Sprache gebracht, ohne dass der Inhalt darunter leidet. Alle bisher angepassten Märchen findest du unter: https://bloeg.li/grimm

Die Texte basieren auf den Originalausgaben von 1812 bis 1857, die im Wikisource abrufbar sind. Sie stehen unter der Lizenz CC BY-SA.