Und dann kam Deepseek
Polly war ein Pferd, aber kein gewöhnliches. Sie war eine zweijährige Araberstute, schlank und elegant, mit einem Fell, das aussah, als hätte jemand einen Pinsel in braune Farbe getaucht und ihn lachend über ihr weißes Fell gespritzt. Die Punkte waren unregelmäßig, fast wie ein abstraktes Kunstwerk, und ihre Ohren standen oft in verschiedene Richtungen, als würden sie unabhängig voneinander leben wollen.
Sandy hatte ihr ganzes Leben auf diesen Moment gewartet. Seit sie als kleines Mädchen zum ersten Mal auf einem Pony gesessen hatte, brannte in ihr ein Feuer, das nicht zu löschen war. Jedes Buch über Pferde wurde verschlungen, jede Reitstunde zur heiligen Pflicht. Ihre Eltern hatten ihr immer gesagt, dass sie es sich verdienen müsse – und das hatte sie. Sie mietete Reitbeteiligungen, schuftete im Stall, mistete Boxen aus, putzte Sättel, bis ihre Hände schwielig waren. Sie opferte Wochenenden, Geburtstagsgeschenke, sogar ihre ersten Teenager-Flirts – alles für den einen Traum: ein eigenes Pferd.
Und dann, an ihrem 16. Geburtstag, war es endlich soweit. Ihre Eltern, nach Jahren des Zögerns, nickten. Sie hatten eingesehen, dass Sandy es ernst meinte. Aber es musste das richtige Pferd sein. Wochenlang durchforsteten sie Anzeigen, besichtigten Pferde, die zu teuer, zu alt oder einfach nicht passend waren. Bis die Nachricht kam: Eine Bekannte kannte eine Freundin, die eine Araberstute abgeben musste. “Edle Abstammung, aber... sie sieht etwas ungewöhnlich aus”, hieß es. Sandy scherte das nicht. Ein Pferd war ein Pferd!
Dann kam der Tag, an dem Polly ankam. Die Sonne stand tief, als der Pferdeanhänger auf den Hof rollte. Sandys Herz hämmerte. Sie hatte sich diesen Moment tausendmal vorgestellt – den ersten Blickkontakt, das erste Streicheln, das Gefühl, dass dieses Tier ihr gehört. Die Klappe des Anhängers senkte sich, und langsam, vorsichtig, erschien ein weißer Kopf mit braunen Flecken. Polly blinzelte in die Sonne, ihre Ohren zuckten wie Antennen auf Empfang. Dann stieg sie die Rampe hinab, wacklig, fast tänzelnd, als würde sie gleich stolpern. Ihre Augen suchten Sandys – und dann, urplötzlich, klappten ihre Ohren nach vorne. Ein Geräusch entwich ihr, etwas zwischen Wiehern und Schnauben, das verdächtig nach einem Lachen klang.
Sandy erstarrte. Das war kein stolzes, edles Pferd. Das war... ein Clown. Polly stupste sie mit der Nase an, schnupperte an ihrer Jacke und machte dann etwas Unerwartetes: Sie öffnete ihr Maul, als würde sie grinsen, und stupste Sandys Hand so heftig, dass diese fast das Gleichgewicht verlor. Die anderen im Stall lachten. “Die mag dich!”, rief jemand. Aber Sandy sah nur die krummen Ohren, die albernen Flecken, dieses grinsende Pferdemaul. Das war nicht der Traum. Das war ein Witz. Ihr Gesicht versteinert, drehte sie sich um. Die Stimmen hinter ihr verhallten, als sie schnellen Schrittes den Stall verließ. Die Tür knallte. Polly blieb zurück, ihr Kopf schief gelegt, als würde sie fragen: “Habe ich was falsch gemacht?”
Und Sandy? Sie wollte nie wieder etwas von Pferden wissen. Zumindest nicht an diesem Tag.