Zum Thema Social-Media-Verbot für Kinder
Weil ich es heute Morgen in Thomas Gigolds Sieben:30-Newsletter wieder las und weil Bloggen ja auch Statusbestimmung im Laufe der Zeit ist, möchte ich mal kurz meine derzeitige (!) Meinung zu Social-Media-Verboten für Kinder und Jugendliche festhalten.
Ich bin derzeit (!) für ein Social-Media-Verbot bis zum 14. Lebensjahr.
Argumente für ein Verbot:
- Gefahren für die psychische Gesundheit: In den noch frühen Entwicklungsphasen bilden Kinder erst ihre Identität und das Selbstwertgefühl aus. Die in Social Media dargebotene „Realität“ spiegelt allzu oft falsche Erwartungen wieder und können irreparable Schäden an der Psyche anrichten. Themen wie Einsamkeit oder Anpassungsdruck werden häufig diskutiert.
- Suchteffekte und Kontrollverlust: Die Plattformen sind gezielt so gestaltet, dass sie ihre Nutzer:innen möglichst lange fesseln. Algorithmen, die auf maximale Reizdichte optimiert sind und Features wie der „Infinity Scroll“ machen es jungen Nutzenden (und nicht nur denen) schwer, sich wieder loszureißen.
- Negative Auswirkungen auf schulische Leistungen: Die intensive Nutzung von Social Media geht oft mit schlechteren Lernleistungen einher, insbesondere im Bereich der Lesekompetenz, wie die PISA-Studie 2022 gezeigt hat.
- Und persönlich aus Sicht eines Erziehungsberechtigten: Ich glaube, dass es mir leichter fallen wird, ein Verbot durchzusetzen, wenn ich mit gesetzlichen Vorschriften argumentieren kann. (Ich weiß allerdings auch, dass das keine Medienbildung ersetzt.)
Argumente gegen ein Verbot
- Recht auf digitale Teilhabe: Soziale Medien sind ein fester Bestandteil der Lebenswelt von Jugendlichen. Die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) betont, dass Kinder gemäß der UN-Kinderrechtskonvention ein Recht auf Teilhabe an Medien haben – dazu gehören heute auch soziale Netzwerke. Ein vollständiger Ausschluss verletze dieses Recht.
- Verlagerung der Nutzung ins Verborgene: Ein Verbot würde die Nutzung nicht beenden, sondern nur in weniger zugängliche Bereiche treiben. Aber dann ohne jegliche Begleitung und Schutz durch die Eltern. Schon heute werden bestehende Altersbeschränkungen spielerisch umgegangen, auch wenn ihre Barrieren nicht besonders hoch sind. Ein Verbot würde diese problematische Situation verstärken.
- Verpasste Chancen für Medienkompetenz: Kritiker eines Verbots vergleichen es mit dem Versuch, Fahrradfahren zu verbieten, anstatt es beizubringen. Die Herausforderungen sozialer Medien ließen sich nicht durch autoritäre Ansagen von oben lösen, sondern nur durch pädagogische Konzepte und die Stärkung der Medienkompetenz – in der Schule und im Elternhaus. Wie ich oben schon schrieb: Ein Verbot ersetzt nicht Medienbildung.
Umsetzungsprobleme
Neben den Argumenten gegen ein Verbot könnte es auch an der Umsetzung scheitern.
- Rechtliche Umsetzung: Es ist nicht so leicht, so ein Verbot überhaupt in geltendes Recht umzuwandeln. Ein nationaler Alleingang, wie beispielsweise in Frankreich diskutiert, wird wahrscheinlich an Europa scheitern, wo Social Media bereits im Digital Services Act (DSA) reguliert wird. Zudem unterliegen die großen Plattformen aufgrund des Herkunftslandprinzips dem irischen Recht, nicht dem deutschen, den dort haben sie meist ihre offiziellen Sitze.
- Technische Umsetzung: Nach wie vor ungeklärt ist auch, wie ein Verbot technisch umgesetzt werden soll. Derzeitige Alterskontrollen („Sind Sie mindestens 18 Jahre? Klicken Sie hier!“) verdienen kaum den Namen. Niemand möchte andererseits den Personalausweis bei Meta hochladen. Es braucht daher eine neutrale Verifikationsinstanz, was so sperrig klingt, wie es kompliziert ist.
Es spricht also mehr gegen ein Social-Media-Verbot für Kinder und Jugendliche. Meine Meinung kann sich daher noch ändern. So oder so müssen wir noch mehr an der Medienkompetenz arbeiten. Wir Erwachsenen auch. Es sollte darüber hinaus zum Bildungsauftrag der Schulen gehören, digitale Fähigkeiten zu vermitteln.